Auszeitklang Michaela Stohl
03. August 2023
Die Zigeunerin und das Farbenmeer Teil 3
was vorher geschah: Teil 1 und Teil 2
E
in neuer Tag erwacht fröhlich und Dey sitzt schon früh wieder am Strand. Wie schwer es ist, Wolken zu malen. Immerhin war sie mutig genug, es auszuprobieren, doch es ist ein beständiges Scheitern, denn wie ist es möglich, etwas auf Papier zu pressen, was schweben möchte und frei sein? Wie viele Skizzen Künstler/innen wohl anlegen, bevor sie ein Bild malen, mit dem sie zufrieden sind? Dey macht eine neue Erfahrung. Wenn es ihr wirklich egal ist, ob dieses Bild je einem Menschen gefallen wird – auch ihr selbst, dann wird sie experimentierfreudiger und je mehr, desto mehr Freude bringt das Malen. Sie mischt Sand unter die Farben, da entsteht ein völlig neuer Effekt, eine Konsistenz fast wie Ölfarben, nur nicht so stinkend und gesundheitsschädlich. Es ist auch dabei das Sich-Erlauben, so zu sein, wie man ist, so zu malen, wie die Hände es eben gerade wollen und können. Wenn alles sein darf, stellt sich die Zufriedenheit lächelnd daneben.
Also wagt Dey den Versuch eines weiteren Bildes. Wolken zu malen ist in etwa so, wie einem Menschen zu sagen, was er zu tun und zu lassen hat. Wie oft geschieht so etwas im Alltag. Ein Beispiel fällt Dey natürlich am Strand ein, als sie die Menschen zwischen den Pinselstrichen beobachtet. Was ist besser? Am Strand spazieren zu gehen oder nach Steinen zu suchen; den Strand zu malen oder seine Gedanken mit jemandem zu teilen; nichts von alldem ist besser. Es ist nur eine Frage des Kompromisses, sobald man etwas zu zweit unternimmt. Jeder Mensch entscheidet sich für etwas, was sein Dasein mit Leben erfüllt. Kein anderer hat das Recht, dies zu bewerten. Zusammenleben ist immer noch etwas, was Dey Kopfschmerzen bereitet. Wenn man das Alleinsein erst einmal lieben gelernt hat, ist es wesentlich einfacher als das Zusammenleben. Keiner redet rein, stresst oder verletzt. Dass Beziehung auch guttun kann ohne abhängig oder krank zu machen, hat sie bisher noch nicht erlebt. Wenn Menschen nicht mit der Freiheit per Du sind und gelernt haben, den Anderen leben zu lassen wie er leben möchte, dann sollten sie auch keine Beziehung eingehen. Denn oft geschieht das aus dem eigenen Unglück heraus, wofür der Andere dann herhalten muss. Wer nicht allein glücklich sein kann, braucht das Glück auch nicht in Beziehung zu suchen. Aber oft reden, besonders bei jungen Menschen, die Hormone beim Verlieben auch noch ein Wörtchen mit. Dey verrennt sich und beschließt, über etwas anderes nachzudenken. Warum ist sie eigentlich hier? Warum liebt sie das Meer so?
Ihr Blick fällt auf 3 rote Rosenblütenblätter, die ins Schlinggras gebettet, hier gestrandet sind. Wie sind sie denn ans Meer gekommen? Jemand hat sie wohl aus Achtlosigkeit verloren. Sie konnten nicht wählen. So geht es vielen scheinbar oft im Leben. Sie werden irgendwohin gespült und müssen sich arrangieren.
Doch Dey hat diese Reise sehr bewußt unternommen. Sie wollte sich auf die Suche nach ein paar ihrer tieferen Wurzeln begeben, um noch stabiler zu stehen. Hier am Meer hat sie eine glückliche Zeit verbracht, als sie klein war. Hier war Urlaub und es gab ausnahmsweise kaum Regeln. Sie konnte sich mit ihren Empfindungen in jedem Sandkorn und jeder Welle verlieren und keiner sagte ihr, wie sie zu sein oder was sie zu denken hatte. Sie hatte ihren Schwimmring, denn schwimmen konnte sie noch nicht. Sie buddelte stundenlang im Sand, brauchte keine Kleider zu tragen, die der Mutter gefielen und erst recht nicht aufpassen, ob auch ja nichts schmutzig wird. Die erste Freiheit ihres Lebens schmeckte sie am Meer.
Nun ist sie nach so vielen Jahren wieder hier. Es ist seltsam, wie sich Glück in unseren Zellen einprägt. Sie kann das Gefühl nicht annähernd beschreiben, was sie erfüllt, wenn sie am Meer ist. Doch einen Versuch wird sie wagen. Es ist pures Glück, einfach hier zu sein. Es ist ein Seele baumeln, sich vom Wind hin und her schaukeln lassen und nicht den geringsten Wunsch zu haben, dass irgendetwas anders ist als in diesem Moment. Dieses Gefühl hat sie in ihrem Leben nirgends anders bisher erlebt. Die Freiheit von damals ist nun kein Besucher mehr, sie ist zur täglichen Nahrung geworden.
Auch wenn sie wieder zu Hause sein wird, wird sie noch lange an diese Reise zurückdenken, weil sie so viele Erinnerungswurzeln freilegen konnte. Denn unter schweren Erinnerungen, die verarbeitet worden sind, finden sich die schönen, die Perlen in der Tiefe. Die frühesten wertvollen Prägungen, die sich zugleich als Träume und Sehnsüchte im Inneren versteckt halten, warten darauf, ins Licht empor geliebt zu werden. Doch auf dem Weg gilt es eben oft, die Ungeheuer und Gespenster der Vergangenheit zu besiegen. Manchmal muss man an den Anfang zurück und noch darüber hinaus, damit Geschichten von neuem geboren werden.
Dey wandert an einen Ort, der bei Goggle als Geheimtip und romantisches Plätzchen ausgewiesen wird. Als sie ankommt, ist die kleine Brücke nicht mehr vorhanden. Schade, doch genau so ist eben Pionierarbeit, immer wieder von vorn beginnen und nicht müde werden, bis…eine neue tragfähige Brücke steht. 🙂
Dey ist schon jetzt innerlich aufgeräumt, was dann wohl erst am Ende der Reise sein wird? Sie beschließt nun, mit dem Denken aufzuhören. Immerhin, inzwischen hört ihr Kopf, was sie sagt und wird still. Das war nicht immer so. Dankbarkeit durchspült ihr Inneres. Sie rettet einmal wieder einen Marienkäfer aus dem Wasser. Damit versucht sie das Gelichgewicht wieder herzustellen, weil bei ihren vielen Strandwanderungen bestimmt einige unter ihr leiden mussten.
Jetzt lässt sie ihre Hände mit Farben ins Gespräch gehen und ist gespannt, was wohl dabei herauskommt?
Am nächsten Morgen ist sehr trübes Wetter und Dey beschließt, sich die Stadt einmal näher anzusehen. Sie hat keinen Plan und läuft durch die Gassen, um dort anzuhalten, wo es ihr gefällt. Die St. Nicolaikirche ist geöffnet, welch ein ehrfurchtgebietender Bau. Dey hat auf ihren Reisen so viele geschlossene Kirchen erlebt, dass sie sich nun umso mehr freut. Wie bewegend die Höhe ist. Die Kirche ist unterteilt in lauter kleine Räume, scheint fragmentiert, doch ist ein Ganzes. Der Raum der Stille ist einladend. Innen sinkt Dey auf das Blau und tankt Stille, um die vielen Eindrücke verarbeiten zu können. Wie reich sie ist, wie gut es der Schöpfer mit ihr meint.
Draussen wartet eine Holzskulptur, die sie sehr berührt. Was der Bildhauer wohl erlebt hat, als er diesem Mann Leben einhauchte?
Die Kinderkapelle mit den fliegenden Vögeln weckt ein Lächeln in Deys Gesicht. Die Bücherstube voller Überraschungen, wo jeder Titel eine ganze Welt eröffnet zieht sie schnell in Bann. Doch sie muss sich entscheiden, welches Buch genau in diesem Moment für sie bestimmt ist und sie prägen und bewegen darf – sie entscheidet sich für 4. Sie fragt sich zwar, wann sie die alle lesen soll, doch die richtigen Zeitpunkte werden kommen.
Wie es weitergeht, wird dir etwas Geduld abverlangen, denn das Buch ist noch nicht fertig geschrieben und dies war nur eine Leseprobe.
Hast du schon einmal eine Geschichte geschrieben? Ich finde, dies gehört zu den Dingen, die man im Leben mal gemacht haben muss. Schönen Sommer wünsche ich…
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