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Auszeitklang Michaela Stohl
30.Juli 2023

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Die Zigeunerin und das Farbenmeer Teil 2

was vorher geschah Teil 1

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ey´s Augen sind auf den Horizont gerichtet, als würde sie etwas suchen. Dann verabschiedet sie sich von diesem Ort und zieht weiter.

Sie liebt Kontraste. Deshalb trinkt sie ihren Kaffee auf der Reise an unterschiedlichen Orten. Am Strand ist so ein Cafe, wo man spürt, dass die Leute, die dort arbeiten, einfach Geld verdienen müssen, um über die Runden zu kommen. Überall stehen Kunstblumen und kitschige Drucke hängen an den Wänden. Alles ist vollgestellt. Die Kellner gehen alle paar Minuten rauchen, um den Tag irgendwie zu überstehen. Wie schade. Wie schön könnte man so ein Cafe gestalten und dementsprechend auf die Kunden eingehen und Freude ausstrahlen, weil die Arbeit den eigenen Gaben entspricht. Die Mitarbeiter sind höflich, aber nicht besonders freundlich oder gar herzlich. Dazu haben sie keine Kraft.

Als Kontrast besucht Dey ein Schloss. Früher hat sie sehr gern Schlösser und Burgen auf ihren Touren angeschaut. Doch schon in den ersten Räumen des Schlossmuseums fühlte sie sich wie erschlagen von all den Dingen – dem Prunk, den Möbeln, Gemälden. Sie ging hierher, weil sie gern Schönheit um sich herum haben wollte. Doch diese Art Schönheit ist für Dey inzwischen anstrengend. Sie war früher nur den Reichen vorbehalten und diese lebten im Prunk, welcher nicht genug sein konnte. Alles waren Statussymbole. Dey kommt in einen Raum und weiß nicht, wo sie zuerst hinschauen soll.

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Jedes kleine Detail ist schön für sich, die blauen Tapeten, der grazil geformte Stuhl mit den wunderschönen Schnitzereien, der geradezu für Zwiegespräche geschaffen ist; das Bild der Familie, der überaus schmucke Holzfußboden, der ausgeklügelt geformte Stuck an den Decken und vieles mehr – doch all das zusammen erschlägt einen nur. Wie können die Menschen um sie herum das ausblenden, sich fokussieren? Und wer braucht an nur einer Stelle diesen Überfluß? Raum für Raum versucht sie, das Schöne zu sehen, aber im Grunde genommen überfordert sie das Zuviel. Mal wieder.

An den Gemälden haben die Künstler stunden-, tage- oder monatelang gearbeitet und sie schätzt die Leistung sehr. Sie selbst würde dies niemals malen können. Und doch fragt sie sich, warum sie all die Bilder als gestellt, in einem Rahmen gepresst und tot empfindet? Voller Zwang, das ist das, was ihr dazu einfällt. Ob die Maler zwanghafte Menschen waren?Kein anderer hätte doch so eine Ausdauer, jeden einzelnen Fetzen Stoff des Kragens auf diese Art und Weise zu malen, oder? Das ist ihr suspekt.

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Sie schaut sich alle Räume an, aber sie ertappt sich, dauernd aus dem Fenster zu schauen, wie der Ausblick ist. Es zieht sie nach draussen in den Park.

Im Schlosspark kann sie endlich aufatmen. Umgeben von Weiden, die ihre Zweige bis zum Boden hängen lassen, damit sie im Wind schaukeln können. Gänse, die zwar auch etwas arrogant dreinschauen, doch hier ist Lebendigkeit, genug Luft zum Atmen. Dey geht es besser. Diese Schönheit zieht sie viel mehr an.

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Sie möchte ihren Kaffee heute auf der Terrasse des Schlosscafe´s trinken. Es ist hübsch da, sehr stilvoll eingerichtet, alles edel, doch die Bedienung ist kalt und abweisend. Überall sind freie Tische, doch man darf sich nicht dahin setzen. Man wird zugewiesen. Dey liebäugelt mit einem kleinen runden Tisch mit weißer Tischdecke in einer idyllischen Ecke, an dem nur 1 Stuhl steht. Dort würde sie zu gern ihren Kaffee trinken. Sie wartet geduldig und schaut dem hektischen Treiben der Kellnerinnen zu. Es bleibt völlig unklar, warum die 10 freien Tische nicht genutzt werden dürfen. Sie sind nicht reserviert. Sie fragt nach, aber bekommt keine Antwort. Endlich bekommt sie einen Platz an der Eingangstür neben dem Hundenapf. Sie setzt sich. Das ist der Grund, warum sie schon als junge Frau ihr eigenes Cafe eröffnen wollte. Doch nicht alle Träume bleiben erhalten, sie ändern sich im Laufe des Lebens. Doch sie sieht die Dinge, die stören. Weil es auch dumm ist, hässliche Ecken in einem Cafe zu haben. Die Menschen gehen ausschließlich in ein Cafe, um zu entspannen. Wie soll man entspannen, wenn man unfreundlich behandelt wird und neben dem Hundenapf sitzt? Dey versucht trotzdem, ihren Kaffee zu genießen. Das hat sie gelernt. Sie lässt sich ihren Genuss von niemandem mehr zerstören. Wie wohl der Tag der Kellnerinnen bisher verlaufen ist? Sehr stressig wahrscheinlich. Wie könnten sie also noch freundlich sein nach so viel Anspannung?

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Doch Dey merkt auch, dass sie sich in dieser Schlösserwelt nicht mehr so wohlfühlt. Sie denkt an den unglaublich grazil verzierten Glaskrug in der Vitrine, der ausgestellt war. Wunderschön, aber welchem Dürstenden hat er wohl geholfen, um zu überleben?

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Wie also könnte man Kunst und Schönheit in den Alltag integrieren? Denn da dürsten Menschen danach. Was nützt all das in einem Schloss? Man geht einmal hin und staunt, nur um im Alltag dann am tristen Grau zu ersticken. Seit Dey die Kunst und das Gestalten lebt und sich daran freut, ist sie viel ausgeglichener als früher. Manchmal braucht man nur Minuten, um aufzutanken und danach wieder Kraft zu haben. Doch diese Minuten fürs Rauchen zu nutzen, hilft nicht wirklich. Zu wissen, was einem guttut und das zu leben, das sind Oasen, die aus der Wüste der Eintönigkeit einen Garten formen.

Gerade als Dey im Labyrinth des Schlossgartens unterwegs ist, fallen ihr ein paar schöne Sätze in die Hände. Sie muss an den vertrauten Fremden denken. Es geht um Regen und Ausblicke. Es ist wie in diesem Labyrinth. Wenn die Augen sich auf die Steinmauern fokussieren, bleibt alles unklar und schwer.

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Wenn sie aber nach dem Horizont schauen, wird aus schwer plötzlich bunt und es strahlt sogar türkis in ihr Leben.

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Bald ist ihre Reise zu Ende und sie wird nach Hause kommen. Was dann wohl geschieht? Wie sie wohl empfangen wird? Doch sie schiebt diese Gedanken noch ein wenig beiseite, schließlich führt ihr Weg erst noch in die Märchenstadt Prag. Ob sie dort ihrem fremden Vertrauten begegnen wird? Oder ist er gerade am anderen Ende der Erde unterwegs? Die Freiheit umfängt sie derweil und der Wind schiebt sie nach vorn. Staunend läuft sie unter der alten knorrigen Hängebuche hindurch, deren Krone vor Leben nur so strotzt, als vereinten sich da fünf Bäume im Licht. Kein Mensch vermag jemals solch eine Kunst zu erschaffen, wie der Schöpfer sie uns in der Natur schenkt.

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