Auszeitklang Michaela Stohl
31. Oktober 2023
… oder vom Nutzen zum Genießen
D
Viele Jahre lang habe ich die Natur genutzt – was habe ich nicht alles ausprobiert. Ich freute mich immer besonders auf die Ernte, auf die Verarbeitung der Früchte, der Kräuter und all dessen, was man in der Natur so finden kann. Doch je mehr ich mich veränderte, desto weniger wollte ich etwas pflücken, als mich vielmehr daran sattsehen und es genießen. Was habe ich früher Sträuße in Vasen geliebt. Heute tut es mir förmlich weh, eine Pflanze aus ihrem Zuhause zu reißen. Ich pflanze mehr im Garten und erfreue mich daran. Doch manchmal, wenn ich sehr traurig bin, dann gehe ich irgendwo auf eine Wildwiese und pflücke mir ein paar wilde Kräuter. Es ist, als würden wir dann unseren Schmerz teilen, die kleinen Blüten und ich. Meist presse ich sie dann, damit ich sie noch für Karten verwenden kann und sich noch jemand an der Schönheit freut.
Vielleicht hält der eine oder andere das für übertrieben. Das ist okay. Ich sage ja nicht, dass du es genauso machen sollst. Ich erzähle dir nur meine Geschichte. Der Punkt ist, dass ich früher zwar kurz fröhlich über die Blütenfarben war, aber dann die Blumen doch kaum wieder angeschaut habe. Jetzt genieße ich jeden Augenblick in der Natur. Es ist, als könnte ich ihnen beim Wachsen und Erzählen zuschauen und ich lerne so viel von diesen Pflanzen, die sein dürfen, wie und wo sie sind und nicht von mir herausgerissen werden.
Je mehr man seine Wahrnehmung trainiert, desto mehr leidet man mit Tieren und Pflanzen und der gesamten Schöpfung, in der soviel Schönheit zu finden ist, was viele Menschen aufgrund ihres eigenen Schmerzes oder Achtlosigkeit zerstören. Man wird empfindsamer, was sicher nicht nur Vorteile hat. Aber es bringt eine enorme Lebensqualität mit sich, mit allen Sinnen das Leben auszukosten.
Natürlich können wir die Natur nutzen. Es gibt so viele Heilkräuter und ich trinke so gern Kräutertees. Aber ich pflücke heute viel bewußter und wenn ich einkoche, dann nur für die nächsten 2 Tage und nicht mehr für den ganzen Winter. Es ist eine Gegenbewegung zu meiner Gier der letzten Jahre, vielleicht finde ich irgendwann die Mitte. Doch bis dahin nehme ich mir viel Zeit und genieße Pflanzen in all ihren Details – mit Farben, Düften, Formen, Eigenarten, Heilkräften und ihrer Samtheit. In ihnen ist eine Menge Symbolik für unser Leben zu finden, welches es zu entschlüsseln gilt. Ich mag diese Naturinspiration unheimlich gern. Es ist ein wirklich schöner Herbst.
die Samtheit des Werdens
Wieder ein wenig Reformation inhaliert
und dem Leben erlaubt, sich zu entfalten.
Wer über Farben und Düfte meditiert,
wird sein Leben tiefbunt gestalten.
Es gibt kein Rückwärts, nur ein Voran
im immerwährenden Kreis des Lebens.
Und bist du mal müde und leer, dann
ist auf der Stelle treten vergebens.
Lass dich fallen, wie ein Platanenblatt,
stirb und ruhe im weichen Schoß der Erde.
Dann wird dein Inneres wieder samtsatt,
damit Auferstehung möglich werde.
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